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Israelitischer Friedhof Seegasse in Alsergrund

Erstellt von Tanja Trausmuth am 02. Mar. 2021

Beschreibung

Da während des 2. Weltkrieges viele Grabsteine des bereits im Mittelalter begründeten, jüdischen Friedhofs in der Seegasse 9 in Wien Alsergrund verstürzt und zerbrochen wurden, sollen im Zuge der fortlaufenden Sanierung durch die Firma ARDIG alle Grabsteine restauriert und wieder an ihrer originalen Stelle platziert werden. Die Grabungsarbeiten wurden seitens der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und Herrn Stoffler und seitens der Orthodoxie von Rabbi Kalmanovitz und Hrn. Shapira koordiniert wurden, die archäologische Betreuung umfasste daher nur die Beobachtung der Arbeiten sowie die Vermessung der freigelegten Flächen inkl. Objekten im Sinne der Richtlinien des Bundesdenkmalamtes. 

Das derzeit als Grünfläche gestaltete Grabungsareal liegt heutzutage im Innenhof eines bestehenden Seniorenheims und wurde nach der Zerstörung des Friedhofes mit einer maximal 40 Zentimeter starken Schicht aus humoser Gartenerde aufgeschüttet, unter der bis jetzt kein zeitgenössisches Gehniveau festgestellt werden konnte. Nach einer Besprechung und Begehung des Geländes im März 2015 wurde Ende April mit dem Vermessen und Auspflocken der Standplätze der neu aufzustellenden Steine und den Aushubarbeiten der Baufirma für die Schaffung von zahlreichen Baugruben der künftigen Grabsteinfundamentierungen begonnen, wobei es sich um zumeist nur 30 bis 40 Zentimeter tiefe Fundamentgruben, mit durchschnittlichen Maßen von etwa 50 mal 100 Zentimetern handelte, welche von den Archäologen händisch nachgeputzt und fotografisch dokumentiert und vermessen wurden. Obwohl an einigen Stellen der Versturz von Grabsteinfragmenten weder eine klare Position der in den Altplänen eingezeichneten Grabsteine lieferte, noch die Fragmente Inschriften enthielten, konnten an anderen Stellen teilweise schmale, humos verfüllte Gruben, die die Standplätze der Grabsteine nachzeichneten, eindeutig und punktgenau dokumentiert werden.

Des Weiteren wurde von den Archäologen nahe der westlichen Friedhofsmauer ein Schnitt im Bereich von drei Steinen sowie zwei weitere Sondagen angelegt, um die Fundamentbeschaffenheit der Friedhofsmauer zu untersuchen und auch um die drei Grabsteine aufzufinden und als weitere Referenzpunkte für die Optimierung der Altpläne zu gewinnen. Des Weiteren sollte dokumentiert werden, ob Niveauunterschiede vom Friedhof zum Nachbargrundstuck bestehen und wieviel die Breite und Höhe des aufgehenden Mauerwerks beträgt. Bei der archäologisch-bauhistorischen Untersuchung, zu der auch ein Statiker hinzugezogen wurde, konnte festgestellt werden, dass das Fundament der Friedhofsmauer aus solide vermörteltem Ziegelmauerwerk in eine frostfreie Tiefe von zumindest 60 Zentimetern unter der Geländeoberkante reichte. Da in manchen Baugruben Knochenfunde auftraten und der jüdische Glaube eine Umbettung der Knochen verbietet, wurde sehr behutsam gegraben und die Grabung sehr seicht gestoppt und nicht überputzt, sondern  entsprechend den halachischen Vorgaben, also den Verhaltensregeln, die das gesamte Leben der Gläubigen betreffen und aus dem rechtlichen Teil der Überlieferung des Judentums stammen, in ebendiesem Zustand dokumentiert.

Auch wurde ein massiver Versturz mehrlagig deponierter Grabsteinfragmente freigelegt und dokumentiert, der jedoch erst im Jahr 2016 gehoben werden sollte und deswegen mit kleinen Schutzbauten überdacht und vor der Witterung geschützt wurde. 

Im außerhalb des Friedhofes liegenden Bereich des geplanten Zelts für die Restauratoren kamen beim Ausheben der dafür vorgesehenen Fundamentgruben ebenfalls Grabsteine zu Tage, sodass zwischen der Israelischen Kultusgemeinde und dem Bundesdenkmalamt vereinbart wurde, unter archäologischer Aufsicht dort weiter zu graben. Auf Wunsch der Orthodoxie diesen Bereich zu einem späteren Zeitpunkt vollflächig zu untersuchen, wurden im Juli 2015 die Sondierungsarbeiten entsprechend den Vorgaben des Bundesdenkmalamtes fotografisch begleitet und die Grabungsfläche eingemessen, sowie neue Plangrundlagen zur weiteren Planung für die Projektleitung erarbeitet.

Da die Bodeneingriffe der Grabungskampagne 2015 sehr kleinräumig waren, wurden bei den Aushubarbeiten keine Kleinfunde geborgen. Die in der humosen Schicht liegenden Steinfunde, die seitens der Rabbiner geborgen wurden, wurden fotografisch dokumentiert, verblieben vor Ort und sollten im Projektjahr 2016 gemeinsam mit Hernn Stoffler und den Restauratoren gesichtet und aufgenommen werden.

Quellen

Igl, R., 2015. KG Alsergrund, GB Wien 9. Fundberichte aus Österreich 54, D7472-D7483.

Karte

Koordinaten: 48.22331° 16.36318°
Koordinatensystem WGS84 / EPSG:4326

Bericht
  • Jahr 2013
  • Maßnahme-Nr. 01002.15.01
Lage
Art der Maßnahme
Zeitstellung
Interpretation