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Zwangsarbeiter-Lager Suggadin

Erstellt von Kristina Yakovlev am 03. Feb. 2022

Beschreibung

Das Zwangsarbeitslager Suggadin befindet sich in Vorarlberg zwischen St. Gallenkirch und Gargellen und ist heute zum größten Teil bewaldet. Schätzungen zufolge wurden in den Jahren 1938 – 45 ungefähr 20.000 Menschen in Vorarlberg als Zwangsarbeiter eingesetzt. Überwiegend wurden sie zum Ausbau der Elektrizitätswerke und-infrastruktur im Montafon eingesetzt, z.B. Vorarlberger Illwerke. Fünfzehn Lager sind im Montafon bekannt (Gassmann 2005), in denen zivile Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus 20 verschiedenen Ländern ausgebeutet wurden. Sie stammten aus Polen, Böhmen und Mähren und dem slowakischen Staat (heute Tschechien und Slowakei), der Ukraine und Jugoslawien, aus der Sowjet Union, Frankreich und Belgien (Kasper 2013). Über die einzelnen Lebensbiografien ist kaum etwas überliefert.

Trotz des systematischen Abbaus von Baracken in Österreich in der Nachkriegszeit haben diese Orte Spuren in der Landschaft hinterlassen. „Um das Potential dieser materiellen Überreste für die Erweiterung der Quellenbasis zur Zwangsarbeit in Vorarlberg ausloten zu können, wurden in einer Kooperation der Montafoner Museen und der Universität Konstanz im Sommer 2015 archäologische Untersuchungen in einem der ehemaligen Zwangsarbeitslager der, dem Lager Suggadin, durchgeführt“ (HAUSMAIR & GREUSSING, 2016). Schülerinnen und Schülern der 4. Klassen der Mittelschule Schruns - Dorf haben die Archäologinnen tatkräftig bei der Feldforschung unterstützt.

„Die hier untergebrachten Zwangsarbeiter wurden von der Firma Hinteregger ausgebeutet, die im Auftrag der lllwerke die Baustelle der Wasserbrücke über den Suggadinbach betrieb“ (HAUSMAIR & GREUSSING, 2016).

Auf der Homepage der Illwerke heißt es: „Mit ihrem unfreiwilligen Beitrag haben die damaligen Arbeitskräfte zweifelllos am heutigen Wert des Unternehmens mitgeschaffen“ (https://www.illwerkevkw.at/ns-zwangsarbeit.htm).

Das einzige heute noch bestehende Gebäude des Lagers Suggadin ist das Objekt Nr.17. „Heute wird die Baracke als Ferienhaus von einer deutschen Familie gepachtet, die verwandtschaftliche Beziehungen in das Montafon hat. Die Pächter, Herr und Frau Lichtenberger, die während der Maßnahme angetroffen wurden, geben an, dass die von ihnen genutzte Bracke (Objekt 17) ursprünglich als Unterkunft des Hauptingenieurs der Wasserbrückenbaustelle diente“ (GREUSSING & HAUSMAIR 2015, 6, D7750). Das Gebäude ist in Holzständerbauweise errichtet. Eine weitere Baracke (Objekt 16) stand nach Auskunft der Pächter noch bis in die frühen 1980er Jahre, die jedoch wegen des schlechten Zustandes bis auf das Fundament abgetragen wurde. Auf dem gesamten Gelände (ca. 6350 m²) finden sich noch weitere Grundrisse, ein teilweise erhaltenes Fundament (Objekt 20), Gruben, Abwasser-Rinnen-Systeme und eine ehemalige Zaunbefestigung. (Streu-)Funde, wie mehrere Keramiksicherungen für Beleuchtungselemente der Firma Siemens, sowie im Erdreich verankerte Drähte, Isolatoren und Reste von Holzlatten, kamen ans Tageslicht. Insgesamt konnten im Areal zehn Befunde dokumentiert werden, die gesichert als Überreste ehemaliger Lagergebäude angesprochen werden können (Objekte 1-3, 11, 13-16, 18, 20). Dabei handelt es sich wahrscheinlich zum Großteil um Schlaf- und Aufenthaltsräume der Zwangsarbeiter und Lagermannschaften. Zeitzeugen berichten, dass das Lager in der Nachkriegszeit wahrscheinlich durch die Illwerke abgerissen wurde – außer Objekt 16 & 17. „Die Nachnutzung des Lages durch marokkanische Soldaten der französischen Besatzungsarmee im Sommer 1945 sowie der systematische Abbau dürften das weitgehende Fehlen von NS-lagerzeitlichem Fundmaterial begründen“ (GREUSSING & HAUSMAIR 2015, 26, D7770). Auch diente das Areal 1944/45 kurzzeitig als Wehrertüchtigungslager der Hitlerjugend.

Ausschließlich durch eine Grabung oder geophysikalische Prospektion können weitere Gebäude im Boden und andere Funde identifiziert werden und Näheres über ihre Funktion berichtet werden.

Die ersten positiven Ergebnisse dieses Surveys zeigen, dass eine intensive Aufarbeitung sinnvoll erscheint, um bessere Eindrücke über räumliche Strukturen und Lagergeschichten zu erhalten. Die Aufarbeitung ist auf der Landes- und Firmenebene sehr wichtig.

Quellen

GREUSSING, I., HAUSMAIR, B. 2015. KG St. Gallenkirch, OH St. Gallenkirch. Fundberichte aus Österreich Band 54, 423-425, D7292-D7319.

GASSMANN, J. 2005. Zwangsarbeit in Vorarlberg während der NS-Zeit: unter besonderer Berücksichtigung der Situation auf den Illwerke-Baustellen, Bd. 1–3. (Wien Univ. Diss. 2005).

HAUSMAIR, B., GREUSSING, I., 2016. Was vom Lager übrig bleibt…: Archäologische Untersuchungen im ehemaligen NS-Zwangsarbeitslager Suggadin. In: Jahresbericht: Montafoner Museen. 2015, pp. 43-53.

KASPER, M. 2013. Zwangsarbeit auf den Baustellen der Vorarlberger Illwerke 1938-45. Jahresbericht der Montafoner Museen 2012, 2013, 67–70.

https://www.illwerkevkw.at/ns-zwangsarbeit.htm

Karte

Koordinaten: 47.014004° 9.951810°
Koordinatensystem WGS84 / EPSG:4326

Bericht
  • Jahr 2015
  • Maßnahme-Nr. 90107.15.01
Institution
Zeitstellung